Context is all you need

Context is all you need

Eine Hommage an “Attention is all you need” und die transformative Kraft des Kontexts in der Ära der Large Language Models

Als Vaswani et al. 2017 ihr bahnbrechendes Paper “Attention is all you need” veröffentlichten, revolutionierten sie die Art, wie wir über maschinelles Lernen und Sprachverarbeitung denken. Der Transformer-Mechanismus machte es möglich, dass Modelle lernen, worauf sie ihre “Aufmerksamkeit” richten sollten. Heute, sieben Jahre später, möchte ich eine These aufstellen, die sich von dieser Erkenntnis inspirieren lässt: Context is all you need.

Die Macht des Kontexts

Large Language Models (LLMs) haben unser Verständnis davon, was mit künstlicher Intelligenz möglich ist, grundlegend verändert. Doch ihre wahre Stärke liegt nicht nur in ihrer schieren Größe oder Rechenleistung, sondern in ihrer Fähigkeit, Kontext zu verstehen und zu nutzen. Mit dem richtigen Kontext können selbst “kleinere” Modelle erstaunliche Ergebnisse erzielen, die spezifische, hochwertige und relevante Antworten liefern.

Der Schlüssel liegt in der Erkenntnis: Je präziser und umfassender der Kontext, desto besser die Ausgabe. Es ist wie der Unterschied zwischen einem Gespräch mit jemandem, der nichts über dich weiß, und einem Gespräch mit einem langjährigen Freund, der deine Geschichte, Vorlieben und aktuellen Herausforderungen kennt.

Die vier Säulen des kontextuellen AI-Systems

1. Benutzerdefinierter Kontext

Die einfachste und direkteste Form: Der Nutzer stellt explizit relevante Informationen zur Verfügung. Dies kann in Form von detaillierten Prompts, hochgeladenen Dokumenten oder spezifischen Anweisungen geschehen. Je mehr relevante Details der Nutzer liefert, desto maßgeschneiderter wird die Antwort.

Beispiel: Statt “Schreibe mir einen Marketingplan” zu fragen, liefert der Nutzer: “Schreibe mir einen Marketingplan für mein B2B-SaaS-Startup im Bereich Projektmanagement, Zielgruppe sind mittelständische Unternehmen, Budget 50.000€ für Q1 2025, Fokus auf LinkedIn und Content Marketing.”

2. RAG - Retrieval-Augmented Generation

RAG-Systeme erweitern LLMs um die Fähigkeit, relevante Informationen aus externen Wissensbasen abzurufen. Anstatt sich nur auf das Trainingswissen zu verlassen, können diese Systeme dynamisch auf spezialisierte Datenbanken, Unternehmensrichtlinien oder aktuelle Dokumentationen zugreifen.

Der Vorteil: Das Modell muss nicht auf alles Wissen der Welt trainiert werden, sondern kann situativ die relevantesten Informationen abrufen und kontextualisieren.

3. Webbasierte Kontexterweiterung

Hier kommt die Macht der Echtzeitinformationen ins Spiel. Systeme, die bei jeder Anfrage relevante Webquellen durchsuchen, können aktuelle Entwicklungen, neueste Forschungsergebnisse oder tagesaktuelle Informationen einbeziehen.

Perplexity ist ein hervorragendes Beispiel für diesen Ansatz. Bei jeder Nutzeranfrage führt das System automatisch gezielte Websuchen durch, um den aktuellsten und relevantesten Kontext zu liefern. Das Ergebnis: Antworten, die nicht nur auf dem statischen Trainingswissen basieren, sondern auch die neuesten verfügbaren Informationen einbeziehen.

4. Dynamischer Tool-Use im Konversationsverlauf

Die sophistizierteste Form des kontextuellen Arbeitens: LLMs, die während einer Unterhaltung selbstständig entscheiden können, welche zusätzlichen Informationen sie benötigen, und entsprechende Tools verwenden – seien es Suchmaschinen, APIs, Datenbanken oder spezialisierte Services.

Diese Systeme können:

  • Websuchen durchführen, wenn aktuelle Informationen benötigt werden
  • Auf interne Unternehmenssysteme zugreifen
  • Berechnungen anstellen oder Daten analysieren
  • Externe APIs für spezifische Funktionen nutzen

Warum Kontext den Unterschied macht

Präzision statt Halluzination

Mit ausreichendem, relevantem Kontext reduzieren LLMs dramatisch ihre Tendenz zu “halluzinieren” – also Informationen zu erfinden. Stattdessen können sie auf konkrete, überprüfbare Quellen zurückgreifen.

Personalisierung und Relevanz

Kontextualisierte Antworten sind nicht nur genauer, sondern auch relevanter für die spezifische Situation des Nutzers. Ein LLM mit Zugang zu Unternehmensrichtlinien kann maßgeschneiderte Compliance-Beratung geben, anstatt nur allgemeine Ratschläge.

Aktualität

Während trainierte Modelle einen Stichtag haben, können kontexterweiterte Systeme immer auf dem neuesten Stand sein. Die Kombination aus gelerntem Wissen und aktuellen Informationen schafft eine mächtige Synergie.

Die Zukunft ist kontextuell

Wir stehen an der Schwelle zu einer neuen Ära der KI, in der nicht die Größe des Modells entscheidet, sondern die Qualität und Relevanz des verfügbaren Kontexts. Systeme, die intelligent verschiedene Kontextquellen kombinieren können – von Nutzereingaben über RAG-Datenbanken bis hin zu Echtzeitweb-Recherchen – werden die nächste Generation von KI-Anwendungen definieren.

Genau wie “Attention is all you need” neue Möglichkeiten in der Architektur neuronaler Netzwerke aufzeigte, zeigt “Context is all you need” einen wichtigen Weg für die praktische Anwendung von KI: von isolierten, statischen Modellen hin zu vernetzten, kontextbewussten KI-Systemen.

Die Botschaft ist klar: In einer Welt unendlicher Informationen ist nicht das Wissen selbst der Engpass, sondern die Fähigkeit, das richtige Wissen zur richtigen Zeit im richtigen Kontext verfügbar zu machen.

Context is all you need – und die Systeme, die das am besten verstehen, werden die Zukunft der KI prägen.